„Maria zu den Ketten“ in Zell am Harmersbach ist heute die größte Wallfahrtskirche Badens. Sie trägt als einzige unter den deutschen Wallfahrtsorten diese Bezeichnung, die auf eine alte Legende zurück zu führen ist.
Man nimmt heute an, dass ein frommer Benediktinermönch vom nahegelegenen Kloster Gengenbach hier unmittelbar am Harmersbach eine Einsiedelei hatte. Da er zum Gottesdienst nicht immer den Weg in die Abtei zurücklegen konnte, soll er in einem Rosenstrauch ein Marienbild aufgestellt haben. Dieses Marienbild wurde bald auch von den Gläubigen aus der Umgebung verehrt. Sie nannten es „Maria zur Rose“. Die Errichtung einer kleinen Holzkapelle um 850 war der Ursprung der heutigen Wallfahrtskirche.
Die Historie
Bereits 1010 bis 1016 wurden auf Geheiß des Bischofs Werner von Straßburg eine zweite Kirche mit gemauertem Turm und für das Schiff zwei Seitenaltäre gebaut. Der älteste Teil der heutigen Kirche, der Chor mit Netzgewölbe und gotischen Fenstern, stammt aus dem Jahre 1480. Den Bau veranlasste Abt Jakob von Bern in Gengenbach. In der Folgezeit wurde die Kirche mehrmals vergrößert, bis man sie 1654 weitgehend erneuert hat. 1683 wurde der Turm erhöht, der sein heutiges Pyramidendach 1801 erhielt. Der Josefsaltar im linken Querschiff in der Kirche stammt aus 1686. 1690 bis 1697 fand eine Verlängerung der Kirche im Langschiff bis zum späteren Querschiff statt. Der jetzige Hochaltar und die beiden Seitenaltäre wurden 1715 errichtet. 1739 entstand hinter dem Hochaltar eine Sakristei und darüber liegend eine Mesnerwohnung.
Die Kirche musste „im Dorf“ bleiben
Auffallend ist, dass sich das Querschiff nicht vorne befindet sondern hinten. Der Grund dafür ist, dass die 1742/44 erfolgte notwendige Verlängerung um den Querbau sonst über die Grenze des Freien Reichtales hinaus in das Gebiet der damaligen Stadt Zell hineingereicht hätte. Erst bei ihrer letzten Erweiterung 1910/11 überschritt man mit der Empore die Gemeindegrenze um zwei Joche. Dabei wurde das alte Portal mit der Nische für die Marienstatue an der neuen Westseite eingebaut und ein großes Relief mit der Krönung Mariens angebracht. Seit Übernahme der Wallfahrtskirche durch die Kapuziner im Jahr 1923 wurden immer wieder größere Renovierungen durchgeführt.
Legenden
Um die Entstehung der ursprünglichen Wallfahrt rankt sich die Legende, dass der heilige Wandermönch und Missionar Gallus an diesem Ort eine Zelle errichtet haben soll, in der er einige Zeit als Einsiedler lebte. Allerdings war Gallus, der als Gründer der Stadt St. Gallen gilt, wohl nie im Harmersbachtal. Er wirkte Anfang des 7. Jahrhunderts vor allem im Bodenseeraum. Dennoch begann sich durch den Einfluss der Benediktiner von Gengenbach die Verehrung des hl. Gallus zu entwickeln. Schließlich standen sie mit dem Kloster in St. Gallen in enger Verbindung. So ist Gallus seit jeher der Patron des ehemaligen Reichstales.
Die heutige Bezeichnung Maria zu den Ketten ist auf eine Legende mit einem frommen Schmiedegesellen zurück zu führen. Dieser stammte aus Schuttern und führte in Zell sein Handwerk aus. Zur Zeit der Kreuzzüge (1064 – 1270) soll er in Gefangenschaft der Türken geraten und gefesselt nach Jerusalem gebracht worden sein. In seiner Verzweiflung flehte er zur Gottesmutter, die er schon in Zell verehrt hatte. Er versprach, seine Ketten am Gnadenbild aufzuhängen, sollte er je wieder befreit werden. Als darauf hin die Ketten von seinen Händen und Füßen fielen, stand auch ein weißes Pferd zum Ritt in die Heimat bereit. Nach einer Prozession von Schuttern nach Zell mit seinen Landsleuten, löste er sein Versprechen ein. Seit jenen Tagen hängen Ketten in der Kirche und es heiß: „Wir gehen zu Maria zu den Ketten“.
Später, als im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) die Schweden nach Zell kamen, soll ein schwedischer Oberst den Befehl gegeben haben, die Ketten in Hufeisen umzuschmieden. Wie auch ein Ratsprotokoll der Stadt Zell bestätigt, wollten die Schweden dem Wallfahrtsspuk ein Ende bereiten, was ihnen jedoch nicht gelang. Denn, wie zahlreiche Zeugen bestätigten, entschwanden die Ketten während des Schmiedens. Sie fanden sich später an ihrem angestammten Platz in der Kirche wieder. Auch dies wurde 1697 in einem Protokoll des Rates der Stadt Zell so festgehalten. Als die Schweden 1643 die Zeller Pfarrkirche und die Kirche in Gengenbach zerstörten, blieb die Wallfahrtskirche verschont.
So verwandelte sich in der Verehrung der Menschen „Maria zur Rose“ in „Maria zu den Ketten“.
Die Wallfahrt
Seit den Tagen des befreiten Schmiedegesellen zogen immer wieder Wallfahrer zu „Maria zu den Ketten“. Bereits im 14. Jh. wird von einer Prozession der Oberharmersbacher nach Zell berichtet. Immer schon fanden zu allen Marienfesten, vor allem an Mariä Himmelfahrt (15. August), regelmäßige Wallfahrten statt. Darüber hinaus wurden in Kriegs- und Katastrophenzeiten außerordentliche Wallfahrten abgehalten und von den Gemeinden wurden neue Prozessionen eingeführt. Als das Tal und die Stadt im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1689 von den französischen Truppen verschont wurden, gelobte man, jeweils am 14. September zum Fest Kreuzerhöhung zur Wallfahrtskirche zu ziehen, um Dank zu sagen.
Viel Spaß beim Besuch vor Ort!